Geduld
Ein wunderbares Gedicht von Rilke. Eines, für das es sich meiner Meinung nach lohnt, sich Zeit zu nehmen. Sich zu setzen. Und zu atmen. Und vor allen Dingen: loszulassen. Das, was gerade so dringlich erscheint. Das, was gerade einen gefühlt riesigen Druck ausübt. Das, was gerade ein unermeßlich großes Fragezeichen mit sich bringt. Viel Muße beim Lesen wünsche ich Euch!
„Man muss den Dingen
die eigene, stille,
ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt,
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann;
alles ist austragen – und dann gebären ….
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen
des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos still und weit …
Man muss Geduld haben
gegen das Ungelöste im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben. Lebe jetzt die Fragen.
Vielleicht lebst Du dann allmählich,
ohne es zu merken, eines fernen Tages
in die Antwort hinein.“
R.M. Rilke